Kapitel:
Anfänge der Kolonialpolitik im Kaiserreich (1:20)
Bismarcks Politik und der Genozid (05:05)
Schlüsselmomente der europäischen Kolonialpolitik (06:50)
Weitere Stationen:
Triggerwarnung:
Die Bismarckstraße befindet sich in dem Dortmunder Stadtteil Kaiserviertel , welches der Innenstadt-Ost zugeteilt ist. Das Kaiserviertel ist ein in Dortmund beliebter Stadtteil, geprägt von vielen Restaurants, gemütlichen Cafes und Bars. Es wird mit dem Slogan “gut leben und einkaufen” beschrieben. Im Vergleich zu dem Westenhellweg in der Innenstadt Dortmunds, wirken die Geschäfte der Kaiserstraße kleiner und somit persönlicher, was den bürgerlichen Charme des Viertels ausmacht. In den kleinen Geschäften bekommt man alles, was man benötigt.
Wenn man sich stadtauswärts über die Kaiserstraße bewegt, passiert man zunächst den Kaiserbrunnen, gleich dahinter geht die Bismarckstraße ab. Die Straße wurde – wie viele Straßen und Denkmäler in Deutschland- nach Otto von Bismarck benannt.
Von 1871 bis 1890 war er der erste Reichskanzler des deutschen Kaiserreiches. Passend zum Straßennamen, trägt das Restaurant an der Ecke den Namen “Küchen-Wirtschaft Bismarck”.
Hintergrund Otto von Bismarck
In der deutschen Geschichte ist Bismarck eine historisch umstrittene Person. Er ist unter anderem für soziale Reformen, wie der Etablierung der Kranken- und Unfallversicherung bekannt. Dies ist einer der Gründe, weshalb er bis heute viel Anerkennung bekommt und häufig als überwiegend positiv assoziiert wird. Bismarck gilt nicht nur als eine politische Schlüsselfigur des 19.Jahrhunderts für Deutschland, sondern für ganz Europa. Umso mehr gibt es über ihn zu erzählen. In Anbetracht der Thematik beschränken wir uns in diesem Audiowalk jedoch ausschließlich auf seinen zerstörerischen Einfluss in der Kolonialpolitik. Und mit der Frage des Warums. Warum gibt es Straßennamen, Cafés, Denkmäler und weiteres, die einen Mann ehren, dessen Einfluss noch heute erhebliche Schwierigkeiten und Konflikte jeglicher Art auf dem Kontinent fortführt?
Deutsche Kolonialpolitik
Zur Zeit des Kolonialismus wurden in Europa darwinistische und biologische Interpretationen von sozialer Existenz unterstützt, die rassistische Thesen vermeintlich wissenschaftlich belegen sollten. Die rassistische Ideologie wurde als Legitimationsgrund zur Ausbeutung und Gewalt in den Kolonien genutzt. So wurde die afrikanische Bevölkerung entmenschlicht. Es entstand ein Gefühl der Wir “zivilisierten” gegen die „nicht entwickelten“ Anderen. Diese Konzepte legitimierten Segregation, Superiorität und Gewalt. Es entstand von Seiten der Kolonialmächte ein unausgeglichenes Machtverhältnis , das einem Lehrer-Kind Verhältnis glich. Die „unzivilisierte“ Bevölkerung sollte von der „zivilisierten“ Europäischen lernen und wurde bei Widerstand brutal bestraft. Dieser Einstellung nach konnte alles, was die Kolonialmächte taten nur eine Bereicherung für die lokale Bevölkerung sein. Die Ausbeutung, das Aufzwingen der eigenen Kultur und Sprache wurde unter diesem Deckmantel ermöglicht.
Als das deutsche Kaiserreich in die Kolonialpolitik einstieg, orientierte es sich an den bereits erfahrenen anderen Kolonialmächten wie England, Frankreich und Portugal. Zu Anfang war keine richtige Organisationsstruktur vorhanden, aber mit der Zeit wurde, unter der Führung von Bernhard Dernburg, ein Imperialistisches Kolonialbüro eingeführt. Mit der Professionalisierung wurde auch die Ausbeutung effizienter. Nicht nur im Bezug auf natürliche Ressourcen, sondern auch bezüglich der Sklaverei.
Unter anderem wurde ein Gesetz verabschiedet, dass der indigenen Bevölkerung verbot Land zu kaufen, dass sie bewohnten oder für Anbau von Lebensmitteln nutzten. Außerdem wurden Steuern erhoben, die abbezahlt werden mussten. Durch diese und andere Maßnahmen wurde die indigene Bevölkerung sozial und ökonomisch in eine Abhängigkeit getrieben. Da das ökonomische, sowie soziale Leben der indigenen Bevölkerung durch die Besetzung der Kolonialisten erheblich beeinträchtigt wurde, kam es in fast jedem der Kolonialstaaten zu Widerständen.
Das deutsche Kolonialreich wurde als besonders grausam beschrieben. Es war bekannt dafür die Widerstände effizient und brutal niederzuschlagen. Beispielhaft dafür ist der Genozid der Herero und Nama. Bei dem die gesamte indigene Population zum Feind erklärt wurde, und ein Vernichtungsbefehl gegen die zivile Bevölkerung ausgesprochen wurde. In Deutsch-Südwest-Afrika wurden so unter Bismarck 50 bis 80 Prozent der Population der zwei größten ethnischen Gruppen des heutigen Namibias ermordet.
Bismarck und die Kolonialpolitik
Otto von Bismarck gilt als Begründer der deutschen Kolonialpolitik. Sein Einwirken auf den Kolonialismus Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat dabei bis heute Spuren hinterlassen. Dabei hat sich Bismarck zu Beginn des aufkommenden Kolonialismus in Europa, gegen die Beteiligung Deutschlands in der Kolonialpolitik gestellt. In einem berühmten Zitat von ihm verkündet er:
„So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik. Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Erdteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, sobald es losgeht.”
Dieses Zitat wurde unmittelbar nach dem deutsch-französischen Krieg verfasst und verdeutlicht seine vermeintlich defensive Außenpolitik, die er zu diesem Zeitpunkt fuhr. Diese abwehrende Haltung gegenüber des Kolonialismus hatte allerdings nicht etwa die Unterstützung oder den Schutz vor Ausbeutung der afrikanischen Länder im Kopf, sondern widmete sich der Angst von den anderen Kolonialmächten als Bedrohung wahrgenommen zu werden und damit möglicherweise einen Krieg zu provozieren. Zudem wollte Bismarck dem deutschen Reich einen Status als Weltmacht sichern, in dem sich die Außenpolitik auf die Gebiete Europas konzentrierte. Es waren somit rein wirtschaftspolitische Gründe und die Sorge vor der Schwächung des deutschen Kaiserreiches, die ihn davon abhielten hinter den Befürwortern kolonialer Interessen zu stehen.
Nichts desto trotz gilt Bismarck als Gründer des deutschen Kolonialreiches, denn der Druck global mithalten zu können wuchs. Andere Länder Europas waren schon lange am Kolonialismus beteiligt und Deutschland dadurch sowohl politisch als auch wirtschaftlich voraus. Bismarck strebte ein geschlossenes afrikanisches Kolonialreich an. Unter ihm wurden ganze Länder und Landteile vom heutigen Kamerun, Togo, Ghana, Nigeria, Namibia, Botswana, Tansania, Ruanda, Burundi, Mosambik, Gabun, Tschad, Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Papua-Neuguinea, Mikronesien und mehrere Inseln im Westpazifik zu deutschen Schutzgebieten erklärt. Auch der hier von Bismarck etablierte Begriff Schutzgebiete zeugt von einer vermeintlich defensiven Außenpolitik, die verhindern sollte, dass Deutschland von den anderen europäischen Mächten als zu bedrohlich wahrgenommen wurde.
Die Berlin-Afrika-Konferenz wurde von Bismark einberufen und ist einer der Schlüsselmomente der europäischen Kolonialpolitik. Hier wurde der afrikanische Kontinent unter den Kolonialmächten aufgeteilt.
Die am 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 stattfindende Berlin-Afrika Konferenz spielt eine zentrale Rolle in der Kolonialgeschichte Europas und zeigt bis heute seine verheerenden Auswirkungen auf den afrikanischen Kontinent. Die aktuelle nationalstaatliche Aufteilung Afrikas sind Folgen die bis heute aus der Konferenz resultieren. Bismarck lud im Berliner Reichstagspalais die diplomatischen Vertreter europäischer Großmächte, sowie aus den USA und dem osmanischen Reich zur Berliner Konferenz ein. In der kolonialen Logik war die Anwesenheit afrikanischer Vertreter gar nicht erst vorgesehen , sodass die lokale Bevölkerung kein Mitspracherecht erhielt.Grenzen wurden willkürlich gezogen ohne regionale Identitäten oder historische Gegebenheiten zu beachten. Die Einwohner*innen der afrikanischen Länder waren gezwungen die Sprache der Kolonialmächte zu lernen, was bis heute unverändert bleibt. In vielen der ehemaligen Kolonialstaaten ist auch heute noch die Sprache der Kolonialmächte, die Amtssprache. Die Aufteilung sollte unter anderem den wirtschaftlichen Handel für Europäer begünstigen und sie rechtlich legitimieren. Als Folge der Konferenz wurden außerdem neue Bahnlinien gebaut, die die Ausbeutung der Länder noch weiter vorantreiben sollten. Im Vertrag wurde vorab, festgehalten den Sklavenhandel zu unterbinden, was allerdings im Nachhinein nicht verfolgt wurde. Die etablierten Strukturen waren fest verankert und die Ausbeutung kostenloser Arbeitskräfte wie geplant zum Vorteil für die deutsche Gewaltherrschaft, sodass diese Klausel des Vertrages gebrochen wurde.
Deutscher Kolonialismus zeigt bis heute seine Nachwirkungen. Otto von Bismarck war eine maßgebliche Schlüsselfigur im Kolonialismus, der die rassistische Ideologie und koloniale Gewalt stark vorantrieb. Seine kolonialen Ideen und die Veranstaltung der Berlin-Afrika Konferenz ermöglichten die Ausbeutung der Menschen und Länder des afrikanischen Kontinents. Sein Einfluss hat bis heute Spuren hinterlassen und den Kontinent erheblich prägt. Es ist klar, dass für ihn die Menschen des afrikanischen Kontinents und der Südpazifik nur von ökonomischen Interesse waren. Warum also wird ein ehemaliger deutscher Reichskanzler mit einer Straße geehrt der die deutsche Kolonialpolitik vorangetrieben hat und somit ermöglichte, dass vielen Menschen des afrikanischen Kontinent bis heute leid zufügt wird. Die Geschichte des Kolonialismus wird bis heute bewusst verdrängt und beschönigt.
Literatur
Andreas Eckert (2009). 125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz: Bedeutung für Geschichte und Gegenwart.
Winfried Speitkamp (2013). Otto van Bismarck und die Kolonialpolititk-ein Ausweg aus der Wirtschaftskrise? Otto Bismarck und die Wirtschaft. Brill Verlag Band 17
Bundeszentrale für politische Bildung. Bismarck und der Kolonialismus. Zuletzt aktualisiert am 20.03.2015, abgerufen von https://www.bpb.de/apuz/202989/Deutschen
Afrika in Berlin- ein Stadtspaziergang des Deutschen Historischen Museums. Zuletzt abgerufen am 31.01.2022, abgerufen von https://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/namibia/stadtspaziergang/reichskanzlerpalais.htm